Lieber Michael,
Eine Erklärung hatte ich schon genannt: Es ist so weiblich, dass ich es als Männchen nicht verstehen kann.
Das wäre eine gute Erklärung , aber mich überzeugt sie auch nicht wirklich.
Nun muss ich ständig daran denken und heute - bei meinem „Baumbesuch“ - wurde mir bewusst, dass mich diese Emotionen nicht überfallen, wenn ich draußen in der Natur allein unterwegs bin. Da sind sie nicht einmal latent vorhanden. Draußen bin ich oft ohne Ende traurig, muss viel heulen - aber das ist immer auch ein befreiendes Gefühl und niemals so ein Überfall.
Den Grund dafür kenne ich immer noch nicht; dafür fiel mir aber heute ein möglicher Auslöser ein. Es ist diese typische "Familienstimmung". Weißt Du, was ich damit meine?
Als meine Kinder klein waren, und wir sehr oft auch mit der Familie zusammensaßen, da waren genau diese Emotionsstürme sehr oft und heftig da.
Heute gibt es kaum noch solche auslösenden Situationen – ich habe mich ja von allem sehr zurück gezogen. Trotzdem sind diese "Überfälle" nach wie vor da.
Ich schicke Dir viele liebe Grüße
Das ist interessant, liebe Lotte, was Du schreibst.
Und jedes Wort ist stimmig und voll glaubwürdig.
Ich glaube, jetzt eine Menge davon zu verstehen.
Weißt Du, warum Du "draußen" weinst? Versuche es mal zu erklären. Ich meine es zu wissen.
Liebe Grüße, Michael
Und wieder bekam ich von Michael die für mich so elementar wichtige Rückmeldung, dass er mir glaubte, dass es stimmig für ihn war, was ich beschrieb. Allein dies ließ mich aufatmen und gab mir den Mut, dem Thema weiter nachzugehen.
jedes Wort ist stimmig und voll glaubwürdig.
Ich weiß nicht warum, lieber Michael; weiß nur, dass da so viel innen sitzt, das schmerzt. Zu weinen tut da einfach gut.
Liebe Grüße, Lotte
Liebe Lotte,
Weinen hat zwei Funktionen: Kommunikation und Spannungsabbau. Nachdem Du mit "Deinem" Baum nicht durch Weinen kommunizierst, hilft er Dir beim Spannungsabbau. Er will nichts von Dir, fordert kein bestimmtes Verhalten und lässt Dich an seiner stillen Stärke und Größe teilhaben.
Das ist jetzt sehr spekulativ, aber es macht den Eindruck, als könnte er Dir die positive Seite des animus erschließen. Andere Kulturen wussten schon, warum sie Bäume mit überirdischen Wesen "belebt" haben.
Deshalb darfst Du im Dunstkreis seiner stillen Größe jene Spannungen abbauen, die Du immer wieder bei Deinen nahen Menschen anhäufst. Das wirft natürlich die nächste Frage auf: Welche Spannungen sammelst Du dort an und warum? Wie kannst Du vermeiden, in der Welt Deines Zu-Hause-Seins in den Zustand einer inneren Spannung zu gelangen?
Liebe Grüße, Michael
Guten Morgen lieber Michael,
mir ging heute Nacht dieser Baum und was Du darüber gesagt hast, nicht aus dem Kopf.
Sinnvoller wäre es sicher gewesen, ich hätte mir ausschließlich Gedanken zu Deiner Frage wegen der Spannungen gemacht ; das habe ich aber auch getan.
Er will nichts von Dir, fordert kein bestimmtes Verhalten und läßt Dich an seiner stillen Stärke und Größe teilhaben.
Das ist jetzt sehr spekulativ, aber es macht den Eindruck, als könnte er Dir die positive Seite des animus erschließen. Andere Kulturen wussten schon, warum sie Bäume mit überirdischen Wesen "belebt" haben.
Wohin Du mich mit diesen Worten führst, das ist eine völlig von meinem normalen Alltag abweichende (und getrennte) Welt, die ich früher nie bewusst beachtete, wohl aber ahnte (fühlte). Ich empfinde sie als sehr reich. Reich an Inhalt, Bedeutung und Gefühl; voller Leben. Außerdem fühlt sie sich einfach gut an.
Auch wenn es spekulativ ist, interessiert mich sehr was Du über die positive Seite des Animus angedeutet hast. Vielleicht magst Du darüber noch ein bisschen weiter spekulieren?
Zu den Spannungen weiß ich aber trotz Nachdenkens konkret (noch) nichts zu schreiben.
Einen ganz lieben Gruß
Lotte
Sicher war es so: Das Thema interessierte mich sehr und ich wollte viel mehr darüber wissen. Was diesen einen Baum betraf - bei diesem empfand ich tatsächlich und sehr real erstaunliches. Als würde uns etwas verbinden und er könne mir etwas schenken, wenn ich bei ihm war.
Doch wahr ist auch, dass ich nur zu gerne nach dieser Möglichkeit griff, um mich wieder in für mich ungefährlicheres Gewässer zu begeben.
Noch immer zog ich also meine Kreise außerhalb des Sturms und wagte mich nicht in dessen wissendes Auge.
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