Noch heute bin ich Michael sehr dankbar für sein Hinterfragen aller Dinge und seine stetigen Hinweise darauf, alles was DA ist, bewusst zu fühlen und wahrzunehmen. Dafür, auch Subtiles, das nicht laut daher kommt, wahr- und wichtig zu nehmen.
Mehr als einmal stieß er mich dabei behutsam mit Fragen auf Gefühle, die ich allein nicht wahrgenommen und schlicht übergangen hätte. So auch hier.
Vorhin, als ich nach dem Adieu-Sagen ging - das war ein gutes Gefühl
Du sagst das so locker. War das so locker?
Es war, lieber Michael, im Grunde gar nichts. Darum erwähnte ich es auch nur am Rande. Ich habe aber, dank Deiner Frage , den Moment noch einmal genau erinnert, um ihn Dir beschreiben zu können.
Ich ging durch den Hintereingang in den Garten um mir die letzten Kartons zu holen, die im Gartenhäuschen gelagert waren. Dabei sah ich, dass Mein Ex-Mann im Wohnzimmer auf der Couch lag und ins Handy tippte. Also klopfte ich an die Terrassentüre und ging rein.
Ich weiß, dass wir schon vor Monaten geschieden wurden, dass wir im Grunde schon lange keine Beziehung mehr führten und uns in letzter Zeit im Haus meist nur noch zwischen Tür und Angel „begegneten“.
Aber einfach so wortlos zu gehen, als ginge ich nur mal kurz zum Einkaufen um die Ecke, das empfand ich dennoch als zu wenig.
Ich erwartete einen Abschied; irgendeinen. War aber selbst unsicher und wusste nicht, wie dieser sich gestalten würde. Mit einer kurzen Umarmung? Sollte oder wollte ich ihm einfach nur die Hand geben? Mit welchen Worten? Alles Gute? Adieu oder „mach’s gut“ … ?
Ich hatte keine Ahnung und all das ging mir durch den Kopf, als ich eintrat.
Ich sagte ihm, ich hätte nun alles zusammen und würde die letzten beiden Kisten noch ins Auto bringen. Das sei also das letzte Mal, dass ich kommen würde, um etwas zu holen.
Seine Antwort war: Er sei müde, das bisschen Zeug sei ja leicht ins Auto zu laden. Er würde liegenbleiben und eine Runde schlafen.
Da drehte ich mich um und ging.
Liebe Grüße, Lotte
Ich fragte deshalb, liebe Lotte, weil das schließlich eine heikle Szene ist. Vom letzten finalen Streit bis zu einem tränenreichen Abschied ist alles möglich.
Dein ehemaliges Männchen hat eine neue Variante eröffnet, wegen Müdigkeit auf der Couch liegen zu bleiben. Manchmal stecken in Banalitäten tragische Momente.
Wahrscheinlich weiß „man“ nicht, ob er sich nur um einen Abschied drücken wollte, oder ob er tatsächlich meinte, es ginge nur darum, beim Tragen (von Zeug) zu helfen.
Liebe Grüße, Michael
Dein ehemaliges Männchen hat eine neue Variante eröffnet, wegen Müdigkeit auf der Couch liegenzubleiben. Manchmal stecken in Banalitäten tragische Momente.
Das ist einfach sehr seine Art, lieber Michael. Ich kenne sie gut. Aber selbst jetzt noch hat mich sein Verhalten gestern getroffen. Mir wäre sowohl ein tränenreicher Abschied als auch ein Streit beinahe lieber gewesen. Irgendeine emotionale Regung von ihm, irgendetwas.
So aber war es wie schon ganz oft in früheren Situationen, die für mich Wichtigkeit hatten. Durch seine Nicht-Reaktion schrumpften sie zu „Nichtsen“.
Heute frage ich mich: Hätte ich anders reagieren sollen? Nicht einfach schweigend gehen?
Ich habe deutlich gespürt, wie gut es mir tat, mich die Tage davor bewusst von allem dort - dem Garten und Haus - zu verabschieden. Das war ein wichtiger Schlusspunkt.
Hier nun hätte ich auch gerne einen Abschied gehabt. Aber er offensichtlich nicht.
Wahrscheinlich weiß "man" nicht, ob er sich nur um einen Abschied drücken wollte oder ob er tatsächlich meinte, es ginge nur darum, beim Tragen (von Zeug) zu helfen.
Obwohl ich so lange mit ihm zusammenlebte, weiß ich es wirklich nicht.
Für mich bleibt das Gefühl, unsere gemeinsamen Jahre seien ihm nicht mal einen Abschied wert. Seine Reaktion sollte, bräuchte und müsste mich doch eigentlich jetzt nicht mehr berühren oder gar treffen - wir sind getrennt! Trotzdem tut es das.
Vielleicht kann ich heute, nur für mich, Adieu sagen.
Was ich mich auch frage, ist - warum werde ich nicht einfach ärgerlich, oder meinetwegen auch wütend, wenn es mich doch trifft? Dann könnte ich meinem Ärger Luft machen oder einfach so vor mich hin schimpfen. Aber nein, mich macht das einfach nur traurig. Und noch dazu bemerke ich das erst, nachdem Du nachfragtest!
Ich hatte mich gewundert, liebe Lotte, dass Du diesen Abschied nur mit einer (glaube ich) PS-Zeile erwähntest. Wenigstens jetzt lässt Du Deine Emotionen heraus.
Objektiv gesehen, war Dein wortloser Abgang stark.
Dass Du ihm keinen Abschied wert warst, glaube ich nicht. Ich vermute, dass er die Szene wegen möglicher Emotionalität meiden wollte, wie der Teufel das Weihwasser.
Verabschiede Dich jetzt alleine von ihm - und wichtiger noch, von 25 Jahren einer Partnerschaft, die über lange Zeit keine mehr war. Gib ihm zum Abschied in Gedanken ein paar Ohrfeigen, die er sich redlich verdient hat.
Liebe Grüße, Michael
Wieder einmal hatte Michael mich zum Lachen gebracht. Nachdem ich seine Zeilen gelesen hatte, spazierte ich zum Neckarufer. Dort gab ich meinem Ex-Ehemann tatsächlich in Gedanken ein paar kräftige Ohrfeigen. Ich bin nicht der Typ für Ohrfeigen, nicht einmal für gedankliche. Aber diese zu verteilen tat mir erstaunlich gut.